"Der Job ist anstrengend, aber sehr schön"
Neue "Frauen-Power"-Führung am Volksfest drehte sich um Schaustellerinnen
Margrit Heitmann, die mit ihrem Mann die große Wildwasserbahn betreibt, ist zwar schon über 70 Jahre alt, ans Aufhören denkt sie aber noch lange nicht.
Mit 15 machte Melanie Kreis die mittlere Reife. Und als sie ihrem Vater eröffnete, dass sie keine normale Lehre machen wolle, tat er etwas, was wohl nur in seit sechs Generationen bestehenden Schaustellerfamilien passiert: Er schenkte ihr einen kleinen Crêpe-Wagen, mit dem sie sich ein eigenes Standbein aufbauen konnte.
Ab dem 18. Lebensjahr war sie damit allein auf Volksfesten und Rummelplätzen unterwegs. Und investierte schrittweise: Wie vor 20 Jahren in einen 9,30 Meter hohen Eiffelturm, der bis heute ihren Crêpe-Stand zur unübersehbaren Attraktion macht, flankiert von einem zweiten Stand mit original Elsässer Flammkuchen.
"Der Job ist anstrengend, aber sehr schön", sagt Melanie Kreis zu den rund 20 Teilnehmer(innen) der "Frauen-Power"-Führung, die Stadtführerin Gabi Stauß erstmals anbot. Ungeachtet historischer Informationen und persönlicher Budentipps drehte sich der zweistündige Volksfest-Streifzug vor allem um Frauen in der Schaustellerwelt.
Tränen und Gewissensbisse
Wie eben Melanie Kreis, inzwischen 47 Jahre alt, deren Alltag sich 2004 kräftig änderte. Damals kam ihr Sohn auf die Welt. Für die Alleinerziehende hieß das: "Der Maxi Cosi stand immer nebenan." Da das Geschäft weitergehen musste, sei das Kind mitgelaufen. Nicht schön, doch die Erfahrung habe gezeigt: "Wenn es irgendwie gehen muss, geht es auch." Trotz Kindergartenwechsel im Zwei-Wochen-Takt mit Tränen und Gewissensbissen.
Bei der Schule konnte Kreis sich anfangs auf die sogenannten Bereichslehrer verlassen, die in Abstimmung mit der Basisschule (und mit Hilfe eines Lernbuchs) die Schaustellerkinder vor Ort unterrichten. Mit dem Wechsel auf die Realschule ging das nicht mehr.
Nun lebt Sohn Moritz während der Schulzeit bei der Oma, am Wochenende und in den Ferien ist er bei der Mama in der Wohnwagenwelt. Ob er später mal in ihre Fußstapfen tritt, ist noch offen. Kreis: "Derzeit schnuppert er am Basketballwurfstand eines Großcousins auf dem Volksfest."
Bei Gabriele Müller (54), die Eis und Süßwaren verkauft, und Jenny Förster (39), die auf Pommes und Currywurst setzt, hat der Schaustellerfamilienvirus längst gepackt. "Wenn es warm wird, zieht es mich in den Wohnwagen", sagt Förster. Bei ihren beiden Kindern hat sie mit den Bereichslehrern gute Erfahrungen gemacht. "Es ist ein ausgeklügeltes System, das immer besser wird." Bei Müllers Tochter war die Schulzeit auch kein größeres Problem — und bei ihr hat es schon gefunkt: Sie arbeitet bereits voll mit.
Mit Elsässer Flammkuchen und einem Crêpe-Stand samt einem 9,30 Meter hohen Eiffelturm ist Schaustellerin Melanie Kreis (Mitte, mit Mikrofon) seit Jahren unterwegs — seit 14 Jahren mit Sohn Moritz.
© Fotos: Roland Fengler
Kinder gingen ins Internat
Wie 80 Prozent der Schaustellerkinder in Deutschland hat Margrit Heitmann einen Mann aus einer anderen Familie geheiratet, die auch mit Autoscootern unterwegs war. Ihre drei Kinder gingen später ins Internat, sind inzwischen aber auch im Sommer mit Wildwasserbahnen sowie Glühwein und Imbiss im Winter auf den großen Festplätzen vertreten. Die agile Münsteranerin ist über 70, ans Aufhören denkt sie noch lange nicht.
Die 31-jährige Ana Grauberger gehört zu den wenigen Quereinsteigerin in der Volksfestwelt: 2011 lernte die Venezuelanerin einen Nürnberger Schausteller kennen, den sie mittlerweile geheiratet hat. Seit 2014 ist sie mit ihm unterwegs (mit der "Alten Bierhütte"). Zuerst spürte sie skeptische bis kritische Blicke und ihrer Familie musste sie wiederholt erklären, dass Schausteller "so etwas wir Zirkus" seien. So ganz hätten sie es aber bis heute nicht verstanden.
Am Freitag, 7. September, bietet Gabi Stauß ab 20.30 Uhr eine Nachtführung übers Volksfest an.